Friedensgespräche
Tim Finch
Rowohlt, 2022
Tim Finch schreibt in seinem neuen Roman „Friedensgespräche“ von Edvard Behrends, der ein Team von Diplomaten anführt, die versuchen einen zermürbenden Bürgerkrieg durch Gespräche in einem Tiroler Skiresort zu lösen, und der in einer an seine abwesende Partnerin Anna gerichteten Erzählung von seinem Leben schreibt. Doch Anna, so erfahren wir bald, ist tot, und die Brillanz, die Behrends an die Spitze seines Berufs gebracht hat, wird von der Gewaltigkeit des Verlustes fast überwältigt.
Trotzdem spricht er mit ihr, stellt sich ihre Antworten vor, sammelt seinen Mut, um ihr Geständnisse zu machen und erzählt so seine Geschichte. Seine Formulierungen hat er stundenlang geschliffenen und oft sucht er selbst dann noch nach den richtigen Worten, manchmal sind sie roh und direkt, aber immer lebendig, raffiniert und schön. Sie sind ein Geschenk für Anna und seine Art um sie zu trauern.
«Hätten wir gewusst, dass eines unserer Leben verkürzt werden würde, hätten wir uns dann entschieden, mehr Zeit miteinander zu verbringen? Vor dem Hintergrund, dass mir jetzt jede Sekunde, die ich mit dir verbracht habe, so kostbar ist, könnte es den Eindruck machen, als wünschte ich mir das. In Wahrheit aber, nein. Denn das Kostbare liegt auch in der Knappheit, mehr aber noch in der diamantengleichen Präzision: der Exaktheit der Menge der Zeit, die wir gemeinsam hatten.»
Obwohl Finch den Verhandlungen einen überzeugenden Realismus verleiht, sind sie nicht die eigentliche Handlung. „Friedensgespräche“ entpuppt sich als eine bewegende und intime Geschichte über Zerbrechlichkeit, Liebe und Zeit, Glück und Trauer, über das, was übrig bleibt, wenn all der Lärm der Öffentlichkeit beseitigt ist. Tim Finch präsentiert ein feinfühliges und elegantes Porträt eines Trauernden und verleiht mit unglaublicher Präzision jedem Gefühl und jeder Reverie eine scheinbar fundamentale Wichtigkeit. So wird das Beobachten von Edvards ganz persönlichen Friedensgesprächen zu einer fantastischen, aber verzehrenden Reise, welche sich unbedingt lohnt.
Buchempfehlung von Nicolas Gassmann